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Schirmherr: Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt Dr. Reiner Haseloff

Link zum Programmheft: http://www.orgel-information.de/Downloads/OrgelMarathon_Altmark_Programmheft.pdf

Bildernachlese unter Impressionen

Pressespiegel des Orgelmarathon Altmark

17. bis 21. August 2016

Mittwoch, 17. AugustGRAFIK 2016
13.00 Salzwedel, St. Marien – Eröffnung
14.30 Salzwedel, St. Katharinen
15.30 Kuhfelde, Evang. Kirche
16.30 Altensalzwedel, Evang. Kirche
18.00 Arendsee, Kloster
Donnerstag, 18. August
10.00 Havelberg, Dom
11.30 Bad Wilsnack, Wunderblutkirche
14.00 Wittenberge, Evang. Kirche
15.30 Beuster, St. Nikolaus
16.30 Seehausen, St. Petri-Kirche
18.00 Krevese, Klosterkirche St. Marien
19.00 Osterburg, Stadtkirche
Freitag, 19. August
10.00 Mieste, Evang. Kirche
11.30 Roxförde, Evang. Kirche
12.30 Letzlingen, Schlosskirche
15.00 Gardelegen, St. Marien
16.00 Neuendorf, Kloster
17.30 Schenkenhorst, Evang. Kirche
19.00 Bismark, Evang. Kirche
20.00 Meßdorf, Evang. Kirche
Samstag, 20. August
10.00 Vinzelberg, Evang. Kirche
11.30 Lüderitz, Evang. Kirche
13.00 Tangerhütte, Evang. Kirche
15.30 Schönhausen, St. Marien und Willebrord
16.30 Tangermünde, St. Stephan
18.00 Stendal, Marienkirche
19.00 Stendal, NAK
Sonntag, 21. August
10.00 Berge, St. Nicolai
11.30 Hohenberg-Krusemark, Evang. Kirche
15.00 Arneburg, Evang. Kirche
16.30 Eichstädt, St. Katharinen
18.00 Stendal, Dom – Abschluss

Jiri Kocourek, Dresden                                                                      Juni 2016

Die Orgellandschaft der nördlichen Altmark

Die historische Altmark – 1304 erstmals so erwähnt – entspricht heute annähernd den nördlichen Landkreisen Stendal und Altmarkkreis Salzwedel sowie dem südlichen Landkreis Börde. Die Altmark gehört zu den am wenigsten zersiedelten Gebieten Deutschlands – viel flaches, fruchtbares Land, viele Gewässer prägen die Landschaft. Die Siedlungsstruktur ist kleinteilig – zahlreiche kleine Dörfer und kleine und mittelgroße Städte prägen die Region. Bereits frühzeitig – oft noch in der Zeit der ausgehenden Romanik – bekamen die meisten Orte eine erste Kirche. Außerdem entstand eine bemerkenswert große Zahl von Klosterkirchen, von denen etliche ebenfalls erhalten sind. Die Reformation wurde erst mit der ersten evangelischen Kirchenordnung 1540 verbindlich umgesetzt. Politisch gehörte die Altmark von Beginn an zu den Kernländern Brandenburgs und wird manchmal gar als „Wiege Brandenburgs“ bezeichnet. Die Zugehörigkeit zu Brandenburg und seit 1701 zu Preußen bestimmte maßgeblich die Entwicklung der Orgellandschaft in der Stilistik und den hier tätigen Orgelbauern. Nur eine einzige neue Orgel kam bis 1945 aus Sachsen…

Die diesjährige Orgelarena führt uns durch die beiden nördlichen Kreise der Altmark, denen daher die nachfolgende Darstellung gewidmet ist. Auf etwas über 4.700 km² wohnen hier ca. 185.000 Einwohner und gibt es heute rund 500 Kirchenräume, größtenteils evangelische. Von diesen besitzen heute nur rund ¾ eine Orgel. Die übrigen Kirchenräume – sofern noch in Nutzung – haben meist ein älteres Harmonium oder einen neueren elektronischen Klangerzeuger (manchmal als Ersatz für eine frühere Orgel). Nur wenige Orgeln stehen in nichtkirchlichen Räumen. Zu vielen Orgeln sind bis heute keine (belegbaren) historischen Daten bekannt, noch weniger zu nicht erhaltenen Vorgängerorgeln. Hier bleibt noch viel zu erforschen, weshalb der folgende Text auch eine Anregung dazu sein möge… Einen zusätzlichen „Abstecher“ unternehmen wir nach Norden in den angrenzenden Südbereich der Prignitz: nach Havelberg, das seit 1994 dem Landkreis Stendal angehört, sowie nach Bad Wilsnack und Wittenberge.

Aus vorreformatorischer Zeit haben wir nur vereinzelt Orgelnachrichten aus herausragenden Kirchen: Die älteste Erwähnung einer bereits bestehenden Orgel stammt aus dem Jahr 1411 aus dem Havelberger Dom, dem Bischofssitz. Nur wenig jünger sind auch die ältesten Orgelnoten: von 1448 datiert die Orgeltabulatur, die der Franziskanermönch Adam Ileborgh in Stendal zusammentrug. Sie enthält erstmals Noten für ein Pedalklavier, und man kann davon ausgehen, dass es in Stendal in einer der großen Kirchen 1448 eine Orgel mit Pedal gab. 1467 wurde in der Katharinenkirche Stendal eine Orgel gebaut. Kurz vor 1519 schuf der bedeutende Blasius Lehmann aus Berlin in der kurfürstlichen Burgkapelle in Tangermünde die erste Orgel, von der wir den Erbauer kennen (sie verbrannte 1617). Die Katharinen- und die Marienkirche Salzwedel besaßen 1541 eine Orgel, 1545 wird eine bestehende Orgel in der Stadtkirche Havelberg erwähnt, 1546 repariert Meister Jacob eine Orgel in Bad Wilsnack, auch die Jacobikirche hatte offenbar bereits eine Orgel, die 1578 erwähnt wird.

Auch nach der Reformation bleiben Orgeln für lange Zeit eine Besonderheit der Stadtkirchen. Das früheste erhaltene Zeugnis ist das Renaissance-Gehäuse der Hauptorgel in der Marienkirche Stendal. Es wird wahrscheinlich bald nach 1540 entstanden sein. 1580 baute Hans Scherer das Rückpositiv hinzu; von ihm sind auch noch 270 Pfeifen erhalten. Das ist der einzige Bestand aus dem 16. Jahrhundert. Vor allem im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts mehren sich die Nachrichten über (heute nicht erhaltene) Orgelbauten: 1548 Gregor Bügel aus Magdeburg in Gardelegen, Marienkirche, 1554 Adam Gelderius in Werben/Elbe (I/10), 1570 Stendal, Peterskirche, 1573 Umbau einer älteren Orgel in Kalbe, weitere Neubauten 1581 in Seehausen sowie Möchenkirche Salzwedel, 1583 in Stendal, Jacobikirche, 1588 in Bismark. Mehrfach tätig wurde Hans Thomas aus Braunschweig: vor 1577 neue Orgel in St. Nikolai Osterburg, 1579 in Werben/Elbe (II/22), 1588 in Kalbe und 1588 Umbau in der Marienkirche Gardelegen. In manchen Kirchen gab es mehrere Orgeln: eine kleinere im Chorraum (dem bisherigen Orgelstandort, oft an der Nordwand) und eine größere auf der Westempore, so z.B. in Seehausen.

Aus der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts ist nur ein Orgelneubau bekannt, dafür umso bedeutender: die dreimanualige Hans-Scherer-Orgel für Tangermünde von 1624. Danach erfahren wir erst nach dem Dreißigjährigen Krieg wieder von Orgelbauten. Den Auftakt bildet die bedeutende dreimanualige Friederich-Stellwagen-Orgel der Katharinenkirche Salzwedel von 1650 (37 Register, nicht erhalten). Die beiden einzigen erhaltenen Zeugnisse dieser Zeit sind das Gehäuse von 1668/70 im Stendaler Dom, einige wenige Register von einem anonymen Orgelneubau im Havelberger Dom um 1693/96 und ein Positiv von 1679 (IoP/6) aus dem Gardelegener Seminar, das 1876 nach Sichau kam (1938 restauriert von Fr. Weißenborn). Nicht erhalten sind die Walslebener Orgel von 1695, die Seehausener Orgel 1695 (II/27+aP unter Verwendung beider alter Orgeln), die nach 1697 entstandene Orgel in der Marienkirche Salzwedel (II/20+aP) und das Positiv, das Organist Kemckel in Arneburg um 1699 bekam als Hausorgel, erbaut von J. G. Helbig aus Tangermünde.

Erst ab Beginn des 18. Jahrhunderts bekamen die ersten, meist reicheren bzw. größeren Dorfkirchen eine Orgel, als frühes bedeutendes Beispiel 1721 Krevese. Bis dahin sang man alle Gemeindelieder ohne Begleitung, teils mit dem Kantor und seinem Schülerchor als Vorsänger. Die meisten kleineren Kirchen haben in unserer Region erst sehr spät, in der 2. Hälfte des 19. Jh. eine erste Orgel erhalten. Nicht selten war die erste Orgel der Dorfkirchen ein gebrauchtes Instrument, das von einer größeren Kirche bei Orgelneubauten preiswert abgegeben wurde. Min. ein Dutzend Orgeln sind aus dem 18. Jahrhundert noch erhalten, darunter als größte die Treutmann-Orgel in Gardelegen und die beiden Scholtze-Orgeln in Havelberg. Die meisten sind teils stark umgebaut, nur einige sind inzwischen wieder restauriert.

Im 18. Jahrhundert, dem Barockzeitalter, werden in unserem Orgelarena-Gebiet auch erstmals Orgelbauer ansässig, die in der Region bedeutungsvoll sind. Johann Georg Helbig d.Ä. und d.J. waren von 1684-1769 in Tangermünde Kantor bzw. Organist und betrieben den Orgelbau als Nebengewerbe; der Sohn baute ab 1727 min. 12 einmanualige Dorforgeln, erhalten sind die in Eichstedt und in Krusemark sowie Gehäuse und Teile einiger weiterer Instrumente. 1751 durfte Helbig d.J. sogar den Abnahmebericht der Scholtze-Orgel in Arneburg erstellen.

Anton Heinrich Gansen und sein Sohn Johann Jacob wurden spätestens seit 1699 in Salzwedel ansässig. Neben vielen Reparaturen und Umbauten bauten sie bis 1765 auch rund 10 neue Orgeln, als größte 1735 die Stendaler Domorgel (II/32 im Gehäuse und mit 17 Registern der Vorgängerorgel). Erhalten sind die beiden großen einmanualigen Orgeln im norddeutschen Barockstil in Krevese und Dallmin (1724 I/14), die heute zu den bedeutenden Barockorgeln der Region zählen.

Einen Höhepunkt barocker Orgelkunst setzte Joachim Wagner (1690-1749) aus Berlin mit zwei seiner großen Spätwerke: 1747 Werben/Elbe (II/27, Gehäuse und 4 Register erhalten) und 1749 Salzwedel, Marienkirche (begonnen, vollendet 1752 Scholtze III/33+6Tr., nur Gehäuse erhalten). Sehr produktiv war Wagners Schüler Gottlieb Scholtze (1713-1783) in (Neu)Ruppin. Nach der Fertigstellung der Salzwedeler Wagner-Orgel baute er etliche Orgeln: 1751 Arneburg (I/9), 1756 Arendsee (I/11), vor 1766 Schönhausen, 1768 Wust (I/9). Letztere und die beiden großen Orgeln in Havelberg sind erhalten.

Aus Magdeburg wirkten: Der damals bedeutende Christoph Treutmann d.Ä. (1673-1757); seine große Orgel in der Gardelegener Nikolaikirche (1724 III/32) wurde 1945 zerstört, die jenige der Marienkirche (1723 II/25) ist umgebaut erhalten. Von Adam Heinrich Rietze steht neben der Orgel in Bad Wilsnack eine einstige Hausorgel (I/6) seit 1767 in Schorstedt. Der letzte Vertreter der Familie Tiensch, Johann David d.J., baute einige einmanualige Dorforgeln, die erhaltene in Schönberg (I/11 um 1780) wurde 1852 aus Dahlenwarsleben umgesetzt.

Neben diesen größeren Werkstätten gab es auch Orgelbauer, die nur gelegentlich als solche auftreten und sich überwiegend mit anderen Arbeiten beschäftigen. Beispielsweise bezeichnete sich ein Friedrich Wilhelm Severin (* um 1725, gest. 1800, seit 1754 in Gardelegen tätig) sogar als „Concess. Orgelbauer in der Alte Mark“, ohne dass von ihm ein Orgelneubau bekannt ist. Einen ansässigen wirklichen Orgelbauer gab es 1769 bis 1792 in der Region nicht.

Die Napoleonischen Kriege dürften die Ursache sein, dass in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts nur rund zwei Dutzend Orgelneubauten entstanden sind und nur zwei Orgelbauer in der Region kleine Werkstätten betrieben. In Tangermünde wirkten spätestens seit 1792 bis 1822 Gottfried Zabel und sein Bruder August; beide sind nur mit 2 Orgelneubauten (1805 Groß Rossau, Arneburg – ursprünglich I/14) sowie Umbauten und Reparaturen nachweisbar. Danach wirkte Ferdinand Hamann min. zwischen 1830 und 1850 in Stendal, von wo aus er 6 nachweisbare Dorforgeln schuf, wovon u.a. die Orgeln in Salzwedel St. Lorenz (1838 I/6) und Grieben (1840 I/10) erhalten sind, außerdem baute er die Arneburger Orgel 1835 klanglich um.

Für die wenigen größeren Orgelneubauten holte man meist auswärtige Orgelbauer, so in Osterburg Johann Simon und seinen Sohn Carl August Buchholz aus Berlin. Weitere Orgeln lieferte Friedrich Thurley aus Brandenburg (1804-1855), darunter als bedeutendstes Werk jener Zeit die frühromantische Großorgel der Katharinenkirche Salzwedel (1838 mit II/42). In der Mönchenkirche Salzwedel steht ein schönes Gehäuse von ihm (1839 II/15) – innen leer und mit einer Digitalorgel besetzt, erhalten sind drei kleinere Orgeln in Krüden (1829), Uetz (1833) und Tangeln (1838). Aus Großzschocher bei Leipzig lieferte Christian Carl David Beyer 1840 eine Orgel mit I/14 nach Altensalzwedel; 1905 wurde eine gleich große Orgel von ihm aus Lüptitz (1842) nach Dambeck umgesetzt. Von dem sonst unbekannten Orgelbauer Pallehne aus Milow sind 2 Dorforgeln von 1838 und 1840 erhalten. Ebenso unbekannt ist Orgelbauer Dietz aus Angern, von dem eine Orgel von 1843 in Miltern steht (I/8). Von einigen weiteren Orgeln sind die Erbauer derzeit noch unbekannt (z.B. Meseberg, 1824 I/11 und Fischbeck, 1828 I/10).

Der große, sprunghafte Aufschwung im Orgelbau begann in der Region erst ab 1850 und hielt bis zum I. Weltkrieg an. Grund war zum Einen der wachsende wirtschaftliche Wohlstand: viele Dorfkirchen, die bis dahin ohne Orgel waren, leisteten sich nun erstmals eine Orgel. Zum Anderen waren es veränderte Ansprüche an Klang und Technik der Orgeln: die Romantik forderte einen dynamischen, grundtönigen Klang mit voluminös-dunklem vollen Klang sowie sanften Flöten und Streichern und leichtgängige Spieltechnik mit Registrierhilfen – das konnten die älteren Barockorgeln nicht leisten. Einige wurden umgebaut und teils erweitert und blieben uns dadurch erhalten (z.B. Tangermünde, Schönhausen), viele andere wichen aber moderneren Instrumenten, die nach 1890 pneumatisch gebaut wurden. Die Größe der Instrumente nahm bis auf 4 Register ab, weil zunehmend kleinere Kirchen Orgeln bestellten. Dafür wurden z.T. bereits ab 6 Register 2 Manuale gebaut, um den Organisten den Spielkomfort der Zeit zu geben. Die pneumatischen Trakturen ab etwa 1890 ermöglichten leichtere Spielart, mehr Koppeln einschließlich Oktavkoppeln und mehr Spielhilfen zum Registrieren – Walze, Kollektive, freie Kombination, Absteller, automatische Pedalumschaltung. Schwellkästen für das II. bzw. III. Manual erweiterten die Dynamik. Die Pallette der Grundstimmen wuchs und prägte das orchestral-sinfonische Klangbild der spätromantischen Orgeln. Der großartige Höhepunkt dieser Entwicklung in unserer Region war die viermanualige 70-Register-Orgel von Ernst Röver aus Hausneindorf im Stendaler Dom (nicht erhalten), gefolgt von der Furtwängler&Hammer-Orgel der Marienkirche Stendal 1913. Orgeln wurden aber nicht mehr nur in Kirchen gebaut (ab Ende des 19. Jahrhunderts auch in den neu gebauten katholischen Gotteshäusern), sondern z.B. auch im Gymnasium in Stendal (R. Voigt, 1898 II/12) und in Privathäusern (Furtwängler & Hammer lieferten 1908 ein solches Instrument mit 5 Registern nach Stendal).

Erst die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts brachte einige bedeutende und produktive Werkstätten in unser Gebiet: Mit Abstand die quantitativ größte Werkstatt war Robert Voigt (1834-1898), der 1862 in Stendal seine Werkstatt eröffnete (evtl. als Nachfolger von F. Hamann), die nach seinem Tod zunächst von seiner Frau Luise, danach von seinen Söhnen Alfred, Reinhold und Bruno weitergeführt wurde. Beginnend mit mechanischen Schleifladen, stellte Kohl nach 1890 auf penumatische Kegel- und später Taschenladen um. Mindestens 90 Orgeln sind von ihm in unserem Gebiet bekannt! Fast alle sind Dorforgeln mit nur 4-15 Registern, nur wenige sind mittelgroß: Buch 1893 mit II/17, Stendal-Röxe 1905 und Petrikirche Stendal 1908 mit je II/18, Meßdorf 1869 mit II/21 und als größte die Jacobikirche Stendal 1902 mit II/27. Sein Nachfolger wurde 1914 Albert Kohl (gest. 1936), der bis 1929 min. 5 weitere Orgeln in unser Gebiet lieferte. Sein größtes Werk ist der pneumatische Erweiterungsumbau der Werbener Orgel 1916-17 auf II/36 (opus 3, mit 4 Wagner- und 11 Lütkemüller-Registern), daneben entstanden min. 4 kleinere Dorforgeln.

Produktiv waren auch August Troch aus Neuhaldensleben (1817-90) und sein Sohn Otto. Bis zu dessen Tod 1897 wurden min. 20 Orgeln in unser Gebiet geliefert mit 5-12 Registern; größere Orgeln bekamen nur Schenkenhorst (1881 II/18) und Jeetze (1855 II/15). Das Gesamtschaffen muss erheblich größer gewesen sein, 1888 wird bereits opus 93 erreicht. Sein Nachfolger Hugo Hülle (1869-1941) baute 1908-13 drei kleinere Orgeln in unserem Gebiet. 1900 gründeten Eduard Erdmann (Schüler von Troch) und Wilhelm Märtens in Haldensleben eine eigene Werkstatt, die recht produktiv war und (ab 1909 zeitweilig getrennt bzw. mit anderen Partnern) bis 1916 min. 21 Orgeln mit 5-14 Registern und teils pneumatischen Kastenladen in unser Gebiet lieferte.

Ein erheblicher Teil des Orgelbaugeschehens, vor allem die Großorgeln jener Zeit, wurde von „auswärtigen“ Werkstätten geprägt: Friedrich Hermann Lütkemüller aus Wittstock lieferte von 1847-1871 allein min. 13 Orgeln: neben der Großorgel in Seehausen 12 einmanualige Orgeln mit 6 bis 11 Registern sowie die umfassenden Umbauten der Wagner-Orgel in Werben (1851) und der Scherer-Orgel in Tangermünde. Aus Hausneindorf lieferte Adolf Reubke (1805-75) 1853-1870 drei mittelgroße Orgeln, sein Nachfolger Ernst Röver (1857-1923) min. 10 mittelgroße Instrumente sowie 1911 die Großorgel des Stendaler Doms (IV/70). Er baute als Besonderheit pneumatische Kastenladen. Der in Stendal geborene Carl Böttcher (um 1828-1883) aus Magdeburg lieferte ab 1859 min. 13 Orgeln mit 8 bis 24 Registern. Sein Nachfolger Eduard Beyer (1856 – nach 1943) baute auch Kastenladen; er lieferte bis zum I. Weltkrieg min. 24 Orgeln, danach noch zwei weitere, alle mit nur noch 4 bis 13 Registern. Wilhelm Rühlmann aus Zörbig, eine der größten mitteldeutschen Orgelbaufirmen, baute von 1897-1914 min. 6 Orgeln mit 5-19 Registern, 1921 noch eine weitere. Robert Knauf aus Bleicherode lieferte 1883-1898 min. 5 Instrumente mit 6-17 Registern. Erst sehr spät entdeckte die große Werkstatt von Furtwängler&Hammer in Hannover unsere Region und lieferte nur zwei Instrumente bis zum I. Weltkrieg: 1913 die Großorgel in Salzwedel und 1915 eine Orgel für Apenburg (II/19).

Eine Reihe von Orgelbauern haben nur einzelne Orgeln in unsere Region geliefert. So besitzen wir interessantererweise sogar eine Orgel von Friedrich Ladegast (Roxförde, 1865, I/4). W. Sauer lieferte ein Frühwerk 1866 nach Jeeben (I/8, heute in Frankfurt/O.) und eine weitere Orgel in Kamern 1918 (II/15); Wilhelm Bergen aus Halberstadt baute 1860 und 1868 zwei einmanualige Orgeln in Schartau und Kabeltitz; C. Schmidt aus Schackensleben zwei ebensolche Orgeln 1856 und 1887; Gebr. Chwatal aus Merseburg bauten um 1885 in Uchtspringe (II/12) und 1872 die große Orgel für Wittenberge (III/37); Albert Hollenbach aus Neuruppin lieferte 1878-87 drei kleine einmanualige Orgeln; Folkert Becker aus Hannover baute in Vollenschier (1878 I/6) und in Schinne (1889 II/15). Je eine Orgel lieferten: Carl Eduard Gesell, Potsdam, 1855 in Nitzow (II/11); Otto Schmidt, Magdeburg, 1856 in Steimke (II/14); Theodor Hamann, Magdeburg, 1859 seine einzige bekannte Orgel in Arendsee; August Friedrich Wäldner, Halle, 1864 in Zichau (I/5); Gebr. Dinse, Berlin, 1876 in Groß Möringen (II/10); Orgelbauer Merkel 1889 in Ballerstedt; Gebr. Rohlfing, Osnabrück, 1900 in Kassieck (op. 93, I/5); B. Grüneberg, Stettin, in Vehlgast um 1905 (I/7); Faber & Greve, Salzhemmendorf, 1910 in Stappenbeck (II/14); A. Schuke, Potsdam, 1895 in Toppel (I/4).

Der Ausbau der zinnernen Prospektpfeifen in fast allen Orgeln als sinnloses Opfer für den I. Weltkrieg 1917, die anschließende Wirtschaftskrise und die beginnende kirchliche Entfremdung lassen den Orgelbau nach dem I. Weltkrieg zurückgehen. Wittenberge profilierte sich als Orgelstadt: Zum Einen gründete Martin Pflug (1886-1945) 1915 hier eine Orgelbauwerkstatt, aus der nur 6 neue Orgeln bisher bekannt sind, daneben etliche Umbauten, Renovierungen und viele Ersatzprospektpfeifeneinbauten nach dem I. Weltkrieg. Zum Anderern wurden 1924 gleich in zwei Lichtspieltheatern Kinoorgeln zur Stummfilmbegleitung eingebaut (ein „Oscalyd“ der Fa. Walcker und eine Orgel von Furtwängler&Hammer).

Die neuartigen Ideen der Orgelbewegung mit ihrer Rückbesinnung auf das helle, schlanke, scharfe barocke Klangideal erzeugten Wünsche nach Veränderungen an den vielen romantischen Orgeln mit ihren dunklen Grundstimmen. Aus Geldmangel geschah das meist durch Umdisponierungen (Austausch oder Umstellen von Registern) oder Umbauten. Neubauten sind selten und verwenden im Inneren häufig das alte umgearbeitete Pfeifenwerk. Es entstanden dennoch zwei große Orgeln: Salzwedel, Katharinenkirche von Furtwängler & Hammer, 1929, III/45, und Wittenberge – die größte Orgel von Martin Pflug, 1935, III/39. Dazu wurden in den 1930er Jahren fast 20 kleinere meist zweimanualige Orgeln im neuen Klangstil gebaut: 6 allein von Emil Hammer, der 1937 die Firma Furtwängler & Hammer übernommen hatte, 4 von Krehl & Voit aus Stendal (diese Werkstatt war hier kurzzeitig 1930-37 tätig), 2 von Lothar Wetzel, Hannover, je eine von Hugo Hülle, Gustav Steinmann (Vlotho), Friedrich Weißenborn (Braunschweig) und Martin Pflug (1940 im Gemeindehaus Wittenberge mit II/20).

1943 lieferte A. Schuke erstmals nach der Ära der Pneumatik wieder ein mechanisches Orgelpositiv nach Bismark (Gemeindesaal); mechanische Schleifladen baute Emil Hammer auch in der letzten, großen Orgel vor Kriegsende ein, 1944 in der Stendaler Marienkirche (III/40). Erste Restaurierungen der erhaltenen, meist umgebauten barocken Orgeln fanden statt, obwohl man dazu kaum Erfahrungen und Kenntnisse hatte und sich häufig nicht dem Wunsch nach modernen Errungenschaften versperren konnte; so erhielt die Scherer-Orgel in Tangermünde noch 1929 eine Vox coelestis und einen Schwellkasten und wurde auf modernen Kammerton umgestimmt. Bei etlichen dieser Orgeln ging erst bei diesen gut gemeinten „Restaurierungen“ viel erhaltene historische Substanz verloren. Vor allem Emil Hammer war mit solchen frühen Restaurierungen führend. Etwas behutsamer ging die Potsdamer Werkstatt Schuke vor (1938 im Havelberger Dom).

Anders als viele andere Orgellandschaften blieb die Altmark weitgehend von Orgelverlusten im II. Weltkrieg verschont. Erst die Notzeit nach dem zweiten Weltkrieg und die 4 Jahrzehnte kirchenfeindlicher Politik der DDR brachten den Orgelbau weitgehend zum Erliegen. Schlagartig hörte die Tätigkeit westdeutscher Orgelbauer auf. Nur 5 neue größere Orgeln wurden gebaut. Viele Landorgeln wurden immer weniger gespielt und nicht mehr gepflegt und verwahrlosten mitsamt ihren Kirchen bis zur Unspielbarkeit, weil die immer kleiner werdenden Gemeinden sie nicht mehr unterhalten konnten und oft nicht einmal einen Organisten hatten. Zwar blieben dadurch viele historische Instrumente erhalten – aber um den Preis ihres oft ruinösen Verfalls. Es gab aber auch viele positive Beispiele: So z.B. Christoph Noetzel in Osterburg, der seit 1975 teils mit Kirchenmusikstudenten Reparaturen und Überholungen zahlreicher Orgeln im ehem. Kirchenkreis Osterburg ausführte. Bis Mitte der 1950er Jahre war die Werkstatt Kohl in Stendal noch mit Reparaturen aktiv, seitdem gab es bis 1987 in unserem Gebiet keinen Orgelbauer mehr. Reparaturen und kleinere Umbauten von romantischen Orgeln im neobarocken Stil führten Hans Voit (1904-1995) aus Rathenow (z.B. Böttcher-Orgel von 1879 in Klein Rossau 1954 II/10) und Erwin Lägel (1920-2011) aus Eilsleben aus (z.B. in Hollenbach-Orgel von 1885 in Walsleben, um 1960 II/11; Röver-Orgel von 1898 in Gardelegen, kathol., um 1980, II/17). 1987 wurde mit Jörg Dutschke erstmals wieder ein Orgelbauer in unserem Gebiet ansässig – in Dambeck, wo er zunächst als landeskirchlicher Orgelbauer zahlreiche Überholungen ausführte. Die Orgelarbeiten wurden in aller Regel von Orgelsachverständigen begleitet und sachkundig beraten, z.B. von Georg-Wilhelm Schulze aus Gardelegen ab 1961.

Restaurierungen übertrug man jedoch der größeren Werkstatt Schuke, Potsdam (Krevese, Havelberg). Die 5 größeren Orgelneubauten erstellten Hans-Joachim Schuke, Potsdam (Bismark; Stendal, Dom; Salzwedel, Katharinenkirche), Hans Eule, Bautzen (Tangerhütte) und 1989 als letzte große neue Orgel der DDR-Zeit Rudolf Böhm aus Gotha (neuapostolische Kirche Stendal). Zwei kleinere zweimanualige Orgeln lieferten Fa. Schuster aus Zittau (Losse 1954 II/10; diejenige der Tangermünder kath. Kirche, 1957 II/14, wurde erst 1978 hier aufgestellt) und W. Nußbücker aus Plau 1989 für Rohrberg (II/10). Viele Kirchen konnten sich nur eine Kleinorgel oder ein Positiv als Ersatz leisten. Mindestens 35 solche Instrumente mit 2 bis 8 Registern Größe lieferten bis 1989 die Werkstätten Schuke, Nußbücker, Sauer (Frankfurt/O.), Löbling (Erfurt), Böhm, Heinze (Stadtilm), Voigt (Bad Liebenwerda).

Auch kurz nach der Wende entstanden noch einige kleinere Orgeln: Beetzendorf von A. Schuke 1990 II/14 und zuletzt Osterburg, kath. Kirche von Nußbücker, 1991 I/8. Den Schwerpunkt bildete seitdem aber die Restaurierung der erhaltenen historischen Orgeln. Für große Restaurierungen wurden weiterhin größere Werkstätten gewonnen: 1994 konnte Firma Schuke aus Potsdam die aufsehenerregende Restaurierung und Teilrekonstruktion der Scherer-Orgel Tangermünde abschließen, 2014 die Restaurierung der für das 19. Jahrhundert ebenso bedeutenden Lütkemüller-Orgel in Seehausen. Die Werkstatt Christian Scheffler, Sieversdorf, restaurierte 2007 die Furtwängler&Hammer-Orgel in Salzwedel, Orgelbau H. Eule aus Bautzen restaurierte 2011 die Zabel-Orgel in Arneburg, 2015 die Orgelwerkstatt Kristian Wegscheider aus Dresden die Buchholz-Orgel in Osterburg. Jörg Dutschke aus Dambeck, seit 2004 selbständig und seit 2006 in Stendal ansässig, führte zunehmend umfangreichere Restaurierungen, aber auch viele Überholungen und Reparaturen aus, einige davon erklingen zur Orgelarena. Etliche Überholungen hat Martin Lodahl aus Dingelstedt ausgeführt, u.a. in Salzwedel und Gardelegen; einige Orgelbaumeister Arnold aus Plau. Etliche dieser Arbeiten beriet als Orgelsachverständiger z.B. Christoph Lehmann aus Stendal, in den katholischen Kirchen Matthias Mück aus Magdeburg. Zahlreiche Orgeln harren aber noch einer denkmalgerechten Restaurierung, darunter auch die großen Barockorgeln von Scholtze in Havelberg sowie die Renaissance-Orgel der Marienkirche Stendal.

Der jüngste Neuzugang ist ein Unikat in der Orgellandschaft Altmark: die katholische Kirche St. Anna erhielt 2014 eine originale englisch-romantische Orgel von Thomas J. Robson aus London von 1870 mit II/21, die aus dem englischen Hastings stammt und von der niederländischen Firma Feenstra aufgestellt und restauriert wurde. Sie ist in der Regel zu den Messen sonntags um 10 Uhr zu hören.

Literatur und Tonträger (Quellen):
Versch.: Orgelinventar des Landes Sachsen-Anhalt, unveröffentlichte Zwischenversion vom 8.10.2004Uwe Pape, Wolfram Hackel: Lexikon norddeutscher Orgelbauer, Band 3, Sachsen-Anhalt und Umgebung, Pape-Verlag Berlin, 2015
Unbek.: Orgeln im Kirchenkreis Stendal, www.kirchenkreis-stendal.de/orgeln.html, Abruf 31.5.2016
Thomas Hartwig: Alle Altmarkkirchen von A bis Z, Elbe-Havel-Verlag, 2012
Felix Friedrich / Vitus Froesch: Orgeln in Sachsen-Anhalt – Ein Reiseführer, Verlag Kamprad, Altenburg, 2014
Lutz Wille, Orgeln aus der Reubke-Werkstatt, Begleitheft zur CD, Heimatverein Hausneindorf e.V., 2013
Dietrich Kollmannsperger, Krevese Gansen-Orgel, Begleitheft zur CD, capriccio, Königsdorf, 1994
Uwe Pape, Friedrich Hermann Lütkemüller, Nordddeutsche Orgelbauer und ihre Werke 1, Pape-Verlag Berlin, 1999
Versch., 375 Jahre Scherer-Orgel Tangermünde, edition labium, Verlag Freimut & Selbst, Berlin 2005
Versch., Die Scholtze-Orgel in der Dorfkirche St. Marien und Willebrord zu Schönhausen, Hrsg. Gemeindekirchenrat Schönhausen/Elbe, 2000


Projektleiter: Andreas G. Seidel

03661 433330, info@orgelarena.de

Altmark 2016